Kartenschatten

Newsroom

OKR in der Praxis: Ein Gespräch mit Mona Jung und Franziska Röckel von Horváth

Work Culture Festival

OKR in der Praxis, Interview mit Franziska Röckel und Mona Jung von Horváth
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
9 Minuten

In vielen Unternehmen wächst der Bedarf Strategien konsequent umzusetzen und Ziele mit kürzeren Zeithorizonten abzuleiten. Die OKR-Methode (Objectives and Key Results) bietet hierfür einen strukturierten Ansatz. Die IBA Forum Redaktion sprach mit Mona Jung und Franziska Röckel von Horváth über die Besonderheiten von OKR, die Abgrenzung zu anderen Managementsystemen sowie über die Chancen und Schwierigkeiten bei der Implementierung.

Was ist die OKR-Methode? Was sind ihre Hauptbestandteile und Ziele?

Franziska Röckel: OKR steht für Objectives and Key Results. Hierbei haben wir eine übergeordnete Strategie und wissen, welche Schlüsselergebnisse und Meilensteine wir erreichen müssen, um diese Strategie umzusetzen. Es handelt sich um eine agile Managementmethode, bei der aus einer gesamt Strategie Schlüsselergebnisse und Tätigkeiten für einzelne Mitarbeitende abgeleitet werden. Ganz konkret umfasst ein OKR-Zyklus acht Stationen, die durchlaufen werden. Die ersten fünf sind eigentlich nur dazu da, sich klarzumachen, was unser Ziel für diesen Zyklus ist, was sind die Punkte, die wir erreichen müssen, und das macht man auch auf den verschiedenen Ebenen, klar mit dem Top-Management, aber dann auch mit dem OKR-Team und den Personen, die das dann ausführen. Die letzten drei Stationen sind sozusagen der Ausarbeitung vorbehalten. Das zeigt deutlich, wie viel Vorarbeit geleistet werden muss, bis man in den OKR-Zyklus reinkommt.

Wenn man OKR mit klassischen Zielsystemen wie MBO (Management by Objectives) vergleicht, was unterscheidet OKR von diesem und wo liegen die Vorteile?

Mona Jung: Ein klassischer Unterschied ist, dass MBOs oft über ein Geschäftsjahr gehen, während ein OKR-Zyklus, typischerweise nur drei Monate dauert. Zudem werden in MBOs meist nur das von oben vorgegebenem Ziel weiter runtergebrochen, nicht aber der Weg dorthin beschrieben, während bei OKR auch der Weg in Form von Kernergebnissen definiert wird. MBOs dienen oftmals mehr der Rückschau, was bereits erreicht wurde, wohingegen bei OKRs die Sicht nach Vorn im Vordergrund steht, also die Frage: Was gilt es jetzt (für jeden einzelnen) zu tun? Klassische Vorteile, die daraus resultieren sind eine gesteigerte Transparenz darüber was wichtig ist und wer woran arbeitet, OKRs machen Fortschritte sichtbar und fördern mehr Eigeninitiative aller Beteiligten.

Franziska Röckel: Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist, dass OKRs bewusst nicht an die monetäre Vergütung gekoppelt sind. Das vermeidet falsche Anreizmechanismen. Es geht bei OKRs darum, ambitionierte, aber realistische Ziele zu setzen. Viele von uns kennen es ja so, dass 100 % Zielerreichung gerade mal gut genug ist und wir eigentlich 120 % erreichen wollen, um richtig zu performen und einen Bonus zu erhalten. Die Idee bei OKRs ist, Ziele so zu formulieren, dass Mitarbeitende einen Anreiz haben, sehr ambitionierte Ziele zu formulieren. Man nimmt also an, wenn Mitarbeitende 80 % schaffen, ist schon sehr viel erreicht. Diese neue Art der Erfolgsdefinition erfordert in Unternehmen ein Umdenken und macht es erforderlich, sich im Vorfeld viel mehr Gedanken über die Wege zur Zielerreichung zu machen.

Lesen Sie auch

BASF Creation Center Europe
IBA vor Ort Discover – Understand – Create: IBA vor Ort im BASF Creation Center Europe

Welche Schwierigkeiten können bei der Einführung von OKR auftreten und wie lassen sie sich meistern?

Mona Jung: OKRs erfordern deutlich mehr Diskussion und Dialog als andere Methoden. Es finden regelmäßige Meeting-Formate in einer recht straffen Taktung statt. Bei OKR werden Vorgehensweisen nicht von oben vorgegeben. Es wird die Intelligenz des gesamten Unternehmens genutzt und dort gefragt, wo die Entscheidung oder die Aktion ausgeführt wird, was man braucht, um das Ziel zu erreichen. Also nicht das klassische Top-down-Verfahren, sondern eher eine Art Gegenstromverfahren, wo beide Seiten diskutieren, was es in den nächsten zwölf Wochen zu tun gilt. Nochmal mehr entscheidend für den Erfolg ist auch das Vorleben durch die Führungskräfte und das Top-Management sowie die ernsthafte Einbindung der Mitarbeitenden. Das heißt, wirklich zu den Meetings zu kommen und sich auch jede Woche dazu zu committen in den Dialog zu treten. Und es heißt auch, als Führungskraft die eigenen Ziele konsequent transparent zu machen. Wir machen sehr gute Erfahrung zu Beginn genügend Zeit für Methodenschulung einzuräumen, so dass die Führungskräfte und Mitarbeitenden wirklich fit in der Methodik sind und sensibilisiert für ihre Verantwortung.

Welche Schritte sind notwendig, um die OKR-Methode erfolgreich in Unternehmen zu implementieren?

Mona Jung: In der Regel starten Unternehmen mit einem Piloten in einem bestimmten Bereich oder verschiedener Initiativen, zum Beispiel im Vertrieb, in der Entwicklung oder mit einzelnen Projekten. Bis das System vollständig integriert und von den Mitarbeitenden akzeptiert wird, dauert es in der Regel anderthalb bis zwei Jahre, so unserer Erfahrung vorallem in mittelständischen Unternehmen. Hierbei ist es wichtig, von Anfang an Methoden-Experten auszubilden und ausreichend Zeit und Ressourcen in das Verständnis und die Definition der Objectives und Key Results zu investieren.

Franziska Röckel: Ja, und man sollte sich darüber im Klaren sein, dass OKR nicht nur eine Methode, sondern auch ein Stück weit eine Veränderung der Unternehmenskultur bedeutet. OKRs fördern Transparenz, Selbstverantwortung und offene Kommunikation. OKRs erfordern aber auch Disziplin in den regelmäßigen Meetings und eine stärkere Beteiligung aufseiten der Führungskräfte, auch auf Top-Management-Ebene. Diese Veränderung ist häufig weitreichender als sie auf den ersten Blick scheint. Oft wird deshalb Change Management nicht ernsthaft mitgedacht, weil es sich vermeintlich nur, um eine neue Steuerungsmethode handelt. Wir merken jedoch, wie wichtig es ist, diese Einführung der Methode und die daraus resultierende Veränderung im Arbeiten, für die Kultur und für die Führungskräfte durch professionelles Change Management zu begleiten. So gelingt es den Veränderungsweg transparent zu machen und macht ihn für alle Mitarbeitenden gangbar.

Lesen Sie auch

Corinna Döpkens, Expertin für Business Travel
Work Culture Festival Arbeitsmodelle in Zeiten von Future Work: Anywhere-Office-Interview mit Corinna Döpkens

Warum wollen viele Unternehmen auf OKR umsteigen?

Franziska Röckel: Die kürzeren OKR-Zyklen bieten eine bessere Anpassungsfähigkeit in unsicheren Zeiten. Unternehmen können ihre Prioritäten schneller anpassen und haben einen klareren Fokus auf kurzfristige Ziele. Ich denke, das ist auch eine Folge der Krisenstimmung, in der Unternehmen versuchen, Zyklen und Prioritäten zu verkürzen. Nur wenige Unternehmen trauen sich derzeit, langfristige Prioritäten zu setzen. Ein Beispiel dafür ist ein Kunde aus dem Energiesektor in Österreich, der während der Corona-Pandemie und des Kriegsbeginns in der Ukraine Schwierigkeiten hatte, Jahresziele zu setzen. Stattdessen konzentrierte man sich auf 12-Wochen-Zyklen, was selbst dann schwierig war, da sich die Ereignisse schnell überschlugen. Kurzfristige Zeithorizonte geben vielen Unternehmen ein Gefühl der Sicherheit durch stärkere Anpassungsfähigkeit und kürzere Reaktionszeiten. Für zwölf Wochen können klare Prioritäten gesetzt werden, was es leichter macht, sich auf ein Thema zu konzentrieren und andere, weniger dringende Themen zurückzustellen.

Eignet sich die OKR-Methode für alle Unternehmensgrößen?

Mona Jung: Grundsätzlich eignet sich OKR für Unternehmen jeder Größe, wobei die Umsetzung unterschiedlich schwierig sein kann. In Start-ups oder Unternehmen mit weniger stark gewachsene Strukturen ist es einfacher, OKR (von Anfang an) zu integrieren. In großen, internationalen Unternehmen, die seit Jahrzehnten mit etablierten Systemen und Prozessen arbeiten, kann die Einführung von OKR ebenfalls gelingen, dauert aber in der Regel länger. Besonders geeignet ist das OKR-System für Abteilungen wie Vertrieb, Entwicklung und Marketing, da diese oft stärker zielorientiert gesteuert werden. In produktionsintensiven Branchen funktionieren OKR erfahrungsgemäß weniger gut.

Lesen Sie auch

UX-Expertin Sophie Kleber
Work Culture Festival Wie intelligente Umgebungen zur Steigerung von Produktivität und Wohlbefinden beitragen: Interview mit UX-Expertin Sophie Kleber

Welche Tipps habt ihr für Unternehmen, die das OKR-System in ihrem Unternehmen etablieren wollen?

Mona Jung: Wir empfehlen, mit einem Pilotprojekt zu beginnen und sich für die Formulierung der Objectives und Key Results sowie für die methodische Schulung der Mitarbeitenden genügend Zeit zu nehmen. Danach ist Durchhaltevermögen gefragt. Zu Beginn kann die Einführung von OKR einen zusätzlichen Aufwand bedeuten und die ersten Wochen bringen vielleicht keinen unmittelbaren Mehrwert. Deshalb ist es wichtig, dass die Führungskräfte diese Phase unterstützen und den Mitarbeitenden den Sinn und Nutzen des Systems vermitteln. Darüber hinaus bedeutet OKR immer auch eine Veränderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Transparenz und Mitarbeitendenbeteiligung. Entscheidend ist, dass das Management diesen Wandel aktiv vorlebt und bereit ist, den Weg der OKR-Methodik konsequent mitzugehen. Zu oft sehen wir das die Diskussion auf einer Tool Auswahl verharrt, das ist sicherlich auch wichtig, aber aus unserer Sicht zweitrangig.

Warum sollten die Besucher des Work Culture Festivals unbedingt euren Workshop besuchen?

Franziska Röckel: Wir werden auf dem Work Culture Festival einen Einblick in die OKR-Methode und ihre Vorteile geben. Und wir werden OKR mit anderen Managementsystemen vergleichen und erklären, in welchen Fällen es sich lohnen könnte, auf OKR umzusteigen, ohne gleich einen kompletten Roll-out planen zu müssen. Darüber hinaus haben wir ein interaktives OKR-Spiel vorbereitet, mit dem die Methode spielerisch und praxisnah erlernt werden kann. In unserem Workshop gehen wir also nicht nur auf die Theorie ein, sondern auch auf praktische Aspekte wie Zielformulierung und typische Stolpersteine bei der Einführung. Nach dem Workshop haben die Teilnehmenden somit ein gutes Gefühl für die Methode und können dadurch besser einschätzen, ob diese für das eigene Unternehmen geeignet ist.

Mona und Franziska, vielen Dank für das Gespräch.

Work Culture Festival

ORGATEC 2024 Als Teil der ORGATEC 2024 erforscht das erste Wherever Whenever – Work Culture Festival die Arbeitswelt der Zukunft.

Mona Jung ist Senior-Projekt-Managerin für People & Change Management  im Bereich Strategy & Transformation bei Horváth.  Sie begleitet in großen Transformationsprojekten die Change Management Themen – u.a. Kultur, Kommunikation und Führung. Darüber hinaus treibt sie Horvaths Lösungen rund um Future of Work und Kultur voran. Mehr Informationen: https://www.linkedin.com/in/mona-jung-28360296/

Mona Jung, Horváth
Mona Jung, Horváth

Franziska Röckel ist Managing Consultant für People & Change Management  im Bereich Strategy & Transformation bei Horváth. Neben der Change Management Begleitung in Transformationsprojekten ist sie vor allem in den Themen Future of Work, Culture und Reorganisationen spezialisiert.
Mehr Informationen: https://www.linkedin.com/in/franziska-anna-roeckel/

Titelbild: Horváth

Franziska Röckel, Horváth
Franziska Röckel, Horváth