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(Un-)Flexible Arbeitsmodelle: Wie HR-Praktiken die Nachteile kompensieren können

Work Culture Festival

Frau Dr. Radermacher auf der ORGATEC zur aktuellen „HR-Praktiken-Studie. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
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Auf dem Work Culture Festival stellte Dr. Katharina Radermacher, Akademische Rätin an der Professur für Personalwirtschaft der Universität Paderborn, die Ergebnisse einer aktuellen Studie vor, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Schneider durchgeführt hat. Die Studie analysiert, wie sich flexible, hybride und unflexible Arbeitsmodelle auf die Zufriedenheit der Beschäftigten auswirken und welche HR-Praktiken dazu beitragen können, mögliche Nachteile zu kompensieren. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse für Unternehmen, die vor der Aufgabe stehen, ihre Arbeitsstrukturen nachhaltig zu optimieren. Die wesentliche Erkenntnis: Arbeitsmodelle sollten nie isoliert betrachtet werden – entscheidend ist die Kombination mit gezielten HR-Maßnahmen.

Flexible Arbeitsmodelle: Vorteile und Herausforderungen

Umfragen zufolge bevorzugt die Mehrheit der Beschäftigten flexible Arbeitsmodelle, bei denen sie Arbeitszeit und Arbeitsort frei wählen können. Studien zeigen, dass sich solche Modelle in der Regel positiv auf die Work-Life-Balance, die wahrgenommene Autonomie und das Wohlbefinden auswirken. Gleichzeitig können sie aber auch Schwierigkeiten mit sich bringen, insbesondere in den Bereichen soziale Interaktion, Kommunikation und Karriereentwicklung. Wer flexibel arbeitet, läuft Gefahr, weniger sichtbar zu sein, weniger informell eingebunden zu werden und dadurch Entwicklungschancen zu verpassen. Ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit mit flexiblen Arbeitsmodellen ist laut Radermacher eine funktionierende Kommunikation. Wer selbst entscheiden kann, wann und wo er arbeitet, ist auf einen funktionierenden Informationsaustausch angewiesen. Das gilt nicht nur für die Remote-Arbeit, sondern auch für die Zeit im Büro. Viele Unternehmen haben ihre Büroflächen verkleinert, was spontane Besuche erschwert. Wenn sich Mitarbeiter seltener treffen, müssen Unternehmen gezielt Kommunikations- und Kollaborationsstrukturen schaffen, um Isolation und Informationsverlust zu vermeiden.

Präsenzmodelle und die Rolle der Arbeitsumgebung

Die Studie zeigt, dass unflexible Arbeitsmodelle, die eine Anwesenheitspflicht im Büro vorsehen, von vielen Beschäftigten als Einschränkung empfunden werden. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine geringere Zufriedenheit – unter bestimmten Bedingungen können Präsenzmodelle auch als positiv wahrgenommen werden. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist die Arbeitsumgebung. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine gute technische und räumliche Ausstattung die Mitarbeiterzufriedenheit in Präsenzmodellen signifikant erhöhen kann.

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HR-Praktiken als wichtiger Hebel

Statt starre Vorgaben zu machen oder sich ausschließlich auf die Wahl des Arbeitsmodells zu konzentrieren, sollten Unternehmen ihre Arbeitsstrukturen ganzheitlich betrachten. Entscheidend ist, dass Arbeitsmodelle nicht isoliert wirken, sondern durch gezielte HR-Praktiken ergänzt und optimiert werden. Dass solche Maßnahmen tatsächlich Wirkung zeigen, haben Dr. Katherina Radermacher und Prof. Dr. Martin Schneider in ihrer Studie untersucht. Für ihre Analyse nutzten sie einen Datensatz aus einem Projekt des IBA und der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu, um zu überprüfen, ob sich die eingangs formulierten Thesen mit Daten belegen lassen – was überwiegend der Fall war. Die Studie bestätigt, dass spezifische Maßnahmen dazu beitragen können, die jeweiligen Nachteile flexibler, hybrider und unflexibler Arbeitsmodelle auszugleichen und so eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit zu ermöglichen. Zu den wichtigsten Stellschrauben zählen:

  • Kommunikation und Informationsaustausch: In flexiblen Arbeitsmodellen ist ein strukturierter und regelmäßiger Austausch unerlässlich. Fehlende physische Präsenz kann zu Informationsdefiziten führen und die Zusammenarbeit erschweren. Um dem entgegenzuwirken, sollten Unternehmen klare Kommunikationsrichtlinien etablieren, Kollaborationstools gezielt einsetzen und Meetings so gestalten, dass alle Teammitglieder – unabhängig vom Arbeitsort – gleichberechtigt eingebunden sind.
  • Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten: Die Studie zeigt, dass entgegen den Erwartungen Maßnahmen zur Karriereförderung in flexiblen Arbeitsmodellen nicht höher eingeschätzt werden als in unflexiblen und hybriden Modellen. Dennoch bleiben faire Beförderungskriterien und gezielte Weiterbildungsangebote wesentliche Faktoren für die langfristige Zufriedenheit der Mitarbeiter. Unternehmen sollten darauf achten, dass diejenigen, die häufiger im Homeoffice oder remote arbeiten, die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten erhalten wie ihre Kollegen mit regelmäßiger Präsenz im Büro.
  • Gehalt und Benefits: Sie spielen in starren Modellen eine größere Rolle als in unflexiblen Modellen. Ein wettbewerbsfähiges Gehalt und attraktive Zusatzleistungen können dazu beitragen, die geringere Autonomie auszugleichen. Die Studie zeigt, dass Gehalt und Zusatzleistungen in unflexiblen Modellen einen signifikanten Einfluss auf die Weiterempfehlungsbereitschaft der Mitarbeiter haben. Unternehmen, die auf Anwesenheitspflichten setzen, können also über finanzielle und nichtmonetäre Anreize Wertschätzung ausdrücken und ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern.
  • Technische und physische Arbeitsumgebung: Die Gestaltung des Arbeitsplatzes hat den größten Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit in Präsenz- und Hybridmodellen. Die Studie zeigt, dass eine moderne, gut ausgestattete Arbeitsumgebung einen messbaren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hat. In der Stichprobe erhöhte eine gut bewertete Arbeitsumgebung die Weiterempfehlungsquote um bis zu 30 Prozentpunkte. Auch Hybridmodelle profitieren von einer optimalen Gestaltung der Büroflächen. Entscheidend ist die Möglichkeit, unterschiedliche Arbeitsformen zu unterstützen – sei es konzentrierte Einzelarbeit, kreativer Austausch oder Teamarbeit.

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Dr. Katharina Radermacher betonte, dass die Arbeitszufriedenheit nicht von einzelnen Faktoren abhängt, sondern vom Zusammenspiel mehrerer Elemente. Unternehmen sollten daher nicht nur über das richtige Maß an Flexibilität nachdenken, sondern gezielt in HR-Praktiken investieren, die die jeweiligen Stärken und Schwächen eines Arbeitsmodells ausgleichen. Eine isolierte Betrachtung von Arbeitsmodellen – sei es durch starre Anwesenheitspflichten oder unstrukturierte Remote-Work-Konzepte – greift zu kurz. Nur wenn Unternehmen Arbeitsmodelle und unterstützende Maßnahmen als strategisches Ganzes denken, als Zusammenspiel von Arbeitsbedingungen, Kultur und HR-Strategien, können sie langfristig sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter zufrieden und produktiv sind.

Work Culture Festival Impressionen

Ikonische Momente erleben Hier finden Sie eine erste kleine Auswahl an Fotos des Festivals.

Dr. Katharina Radermacher ist Akademische Rätin an der Professur für Personalwirtschaft der Universität Paderborn. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsplatzgestaltung, flexible Arbeitsmodelle und Employer Branding. Sie untersucht, wie Unternehmen ihre Arbeitsstrukturen an aktuelle Entwicklungen anpassen und durch gezielte HR-Praktiken die Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter fördern können. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit berät sie Unternehmen in Workshops und Vorträgen zu den Herausforderungen und Chancen moderner Arbeitswelten. Die Studie „HR-Praktiken als Ressourcenmanager: Wie die Schwächen flexibler und unflexibler Arbeitsmodelle kompensiert werden können“ steht unter IBA-Publikationen zum Download bereit, ebenso wie die Zusammenfassung der Studie im IBA StudyNet.

Titelbild: © IBA