Kartenschatten

ARBEITS­MODELLE UND HR-PRAKTIKEN ALS RESSOURCEN­MANAGER

Flexible, hybride oder unflexible Arbeitsmodelle

Viele Unternehmen setzen seit der Corona-Pandemie auf flexible Arbeitsmodelle, die ein hohes Maß an Freiheit bei der Wahl von Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglichen. Andere Betriebe versuchen gerade, ihre Mitarbeiter wieder zu mehr Präsenz zu bewegen. Beide Ansätze bringen ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich. So können sich bei einem hohen Anteil von Telearbeit oder anderen Formen der Remote Work soziale Isolation und Sorgen um die eigene Karriereentwicklung als negative Aspekte einstellen. Bei weniger flexiblen Arbeitsmodellen mit festen Arbeitszeiten und Anwesenheitspflicht im Büro kann sich bei den Beschäftigten dagegen ein Gefühl mangelnder Wertschätzung und fehlender Autonomie einstellen. Obwohl diese Zusammenhänge und ihr Einfluss auf die Zufriedenheit, Produktivität und Mitarbeiterbindung schon geraume Zeit bekannt sind, werden Entscheidungen für flexible, unflexibel oder hybride Arbeitsmodelle von den Unternehmen und ihren Führungskräften bislang fast immer isoliert, also ohne Einbeziehung moderierender Faktoren, getroffen.

Die als IBA-Studie 2024 veröffentlichte Untersuchung von Dr. Katharina Radermacher und Prof. Dr. Martin Schneider, Professur für Personalwirtschaft der Universität Paderborn, will auf dieses Defizit hinweisen und Ansatzpunkte für ganzheitliche Konzepte aufzeigen. Anhand von Arbeitgeberbewertungen, die im Rahmen des Best Workplace Awards 2022 erhoben wurden, beleuchten die beiden Forscher das Zusammenspiel von flexiblen und unflexiblen Arbeitsmodellen mit bestimmten HR-Praktiken sowie die daraus resultierende Effekte auf die Mitarbeiterzufriedenheit.

Studienlage

Erkenntnisse zur Wirkung flexibler Arbeitsmodelle

Forschung, die sich mit der Wirkung flexibler Arbeitspraktiken befasst, bezieht sich zum einen darauf, wie Individuen auf das Angebot, über Arbeitszeit und Arbeitsort selbst zu bestimmen, reagieren. Diese Studien zeigen mehrheitlich, dass Mitarbeitende mehrheitlich diese flexiblen Arbeitsmodelle bevorzugen. Unternehmen, die solche Modelle anbieten, werden als attraktivere Arbeitgeber wahrgenommen. Viele Beschäftigte sind sogar bereit für die höhere Flexibilität und Autonomie auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten. Studien zu den praktischen Erfahrungen mit flexiblen Arbeitsmodellen bestätigen darüber hinaus positive Effekte in Form einer stärkeren Mitarbeiterbindung, gesteigerten Zufriedenheit, höheren Produktivität, besseren Gesundheit und selteneren Abwesenheit. Diesen positiven Aspekten stehen aus Sicht der Beschäftigten aber auch gravierende Nachteile wie beispielsweise Schwierigkeiten in Bezug auf Karriere und Aufstiegschancen sowie erschwerte Kommunikation mit den Kollegen gegenüber.

Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass flexible Arbeitsmodelle besonders dann erfolgreich sind, wenn sie mit unterstützenden Maßnahmen kombiniert werden. Dazu gehören ausgereifte Informations- und Kommunikationstechnologien sowie eine flexible Arbeitskultur, die vom Top-Management unterstützt wird. Diese Zusammenhänge zu konkretisieren ist Thema der Forschungsarbeit von Dr. Katharina Radermacher und Prof. Dr. Martin Schneider.

Forschungshypothesen

Zur Formulierung ihrer Forschungshypothesen stützen sich die beiden HR-Wissenschaftler auf die Conservation of Resources Theory (COR) von Hobfoll. Diese besagt, dass die Verfügbarkeit von Ressourcen zu positiven Outcomes wie Wohlbefinden und Zufriedenheit führt, ihr Verlust hingegen zu psychischer Belastung, weshalb Menschen grundsätzlich danach streben, ihre Ressourcen zu schützen und zu vermehren. Ressourcen sind in diesem Zusammenhang alles, was eine Person als wertvoll erachtet und das zum Erreichen ihrer Ziele beiträgt. Aus dem aktuellen Forschungsstand ließen sich folgende Hypothesen abgeleitet:

  • Hypothese 1: Kommunikation und Informationsaustausch sind in flexiblen Arbeitsmodellen besonders wichtig.
  • Hypothese 2: Karriere- und Entwicklungsförderung sind in flexiblen Arbeitsmodellen besonders wichtig.
  • Hypothese 3: Die Höhe des Gehalts ist in flexiblen Arbeitsmodellen weniger wichtig als in unflexiblen Modellen.
  • Hypothese 4: Die Arbeitsumgebung ist in flexiblen Arbeitsmodellen weniger wichtig als in unflexiblen Modellen.

Untersuchungsdesign & Daten

Datensatz

Um die Annahmen zu den kompensierenden Mechanismen von HR-Praktiken zu überprüfen, wurde ein Datensatz der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu verwendet. Auf Kununu können Mitarbeitende Unternehmen in Bezug auf verschiedene Jobattribute mit einer Fünf-Sterne-Skala bewerten. Sterne können für unterschiedliche Jobattribute vergeben werden, wie zum Beispiel Arbeitsatmosphäre oder Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus geben Beschäftigte dort an, ob sie ihren aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber weiterempfehlen würden oder nicht. Der verwendete Datensatz stammt aus einer Umfrage zum Best Workplace Award, die im Jahr 2022 von Kununu und dem Industrieverband Büro und Arbeitswelt (IBA) durchgeführt wurde. Zusätzlich zu den Standardfragen aus den Arbeitgeberbewertungen wurde erfragt, ob die Beschäftigten die Möglichkeit haben, flexibel zu arbeiten und wie diese Arbeit geregelt ist. Unterschieden wurden:

  • Flexible Arbeitsmodelle,
    bei denen die Beschäftigten frei wählen können, wo sie arbeiten wollen
  • Unflexible Arbeitsmodelle,
    die eine ausschließliche oder weitgehende Arbeit im Büro vorsehen
  • Hybride Arbeitsmodelle,
    bei denen An- und Abwesenheit vertraglich oder durch Absprachen geregelt sind 

Insgesamt umfasst der Datensatz 4.257 vollständige Bewertungen.

Datenanalyse 

Zunächst wurde die Bereitschaft, den aktuellen Arbeitgeber weiterzuempfehlen, in Abhängigkeit von dem aktuell praktizierten Arbeitsmodell ermittelt. Dabei fungierte die Weiterempfehlungsbereitschaft als Indikator für die Zufriedenheit der Beschäftigten.

Im nächsten Schritt wurden die Forschungshypothesen überprüft. Dafür wurden fünf der insgesamt 13 Jobattribute aus der Kununu-Arbeitgeberbewertung herangezogen:

  • Kommunikation zur Überprüfung der ersten Hypothese
  • Karriere & Entwicklung zur Überprüfung der zweiten Hypothese
  • Gehalt & Sozialleistungen zur Überprüfung der dritten Hypothese
  • Arbeitsatmosphäre und Arbeitsumgebung (= technische und physische Arbeitsbedingungen) zur Überprüfung der vierten Hypothese

Die übrigen Jobmerkmale flossen als Kontrollvariablen in die Untersuchung ein. 

Ergebnisse

Keine statistisch gesicherten Effekte ergaben sich für die Interaktionen zwischen dem Arbeitsmodell und den Jobmerkmalen Karriere & Entwicklung sowie Arbeitsatmosphäre. Daraus kann geschlossen werden, dass der Wert, den die Beschäftigten entsprechenden Maßnahmen beimessen, nicht vom jeweiligen Arbeitsmodell abhängt.

Signifikante Interaktionseffekte mit den Arbeitsmodellen zeigten sich dagegen für die Jobmerkmale für Kommunikation, Gehalt & Benefits sowie technische & physische Arbeitsbedingungen.

Zusammenhang von Kommunikation und Arbeitsmodell

Für Beschäftigte in flexiblen Arbeitsmodellen ist Kommunikation ein entscheidender Faktor. Es zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Weiterempfehlung bei 83 % liegt, wenn Kommunikation mit nur einem Stern, also als eher mangelhaft, bewertet wird. Wird Kommunikation mit fünf Sternen bewertet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine Empfehlung um 12 %-Punkte auf 95 %. Mangelhafte Kommunikation wird am ehesten noch in unflexiblen und hybriden Modellen toleriert. Bei einer Bewertung von 3 Sternen und weniger schneiden sie bei der Weiterempfehlungsbereitschaft besser ab als das flexible Modell. 

 

Interaktion zwischen Kommunikation und Arbeitsmodell

Zusammenhang von Gehalt & Benefits sowie der Arbeitsumgebung und Arbeitsmodell

Für Gehalt & Benefits sowie technische & physische Arbeitsbedingungen zeigten sich ähnliche Zusammenhänge, allerdings existiert hier jeweils ein positiver Interaktionseffekt mit dem unflexiblen Arbeitsmodell. Das bedeutet, dass die Ausprägung dieser beiden Jobattribute (gemessen in 1 – 5 Sternen) einen starken Einfluss darauf hat, ob Mitarbeitende in einem unflexiblen Modell ihren Arbeitgeber weiterempfehlen.

Interaktion zwischen Gehalt & Benefits und Arbeitsmodell

Die stärkste Wechselwirkung zeigt sich zwischen den technischen & physischen Arbeitsbedingungen und dem Arbeitsmodell – diese sind in unflexiblen Modellen am wichtigsten. Die Weiterempfehlungsbereitschaft steigt hier für das unflexible Modell von 64 % bei einer Bewertung der Arbeitsbedingungen mit einem Stern auf 94 % bei einer Bewertung mit fünf Sternen. Für das hybride Modell ist ein etwas schwächerer Anstieg zu sehen, für das voll flexible Modell kein Anstieg.

 

Interaktion zwischen technischen & physischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsmodell

Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische Betrachtung

Die im Rahmen des Best Workplace Awards erhobenen Daten zeigten 2022 wie auch in anderen Jahren eine überdurchschnittlich hohe Weiterempfehlungsbereitschaft der Beschäftigten. Umso erstaunlicher ist es, dass die Ausprägung der HR-Instrumente Kommunikation, Gehalt & Benefits und technische & physische Arbeitsbedingungen einen so starken Einfluss auf die Zufriedenheit der Beschäftigten zeigen. 

Die Empfehlung der Studienmacher an HR-Verantwortliche lautet daher, die Entscheidungen für flexible, unflexible oder hybride Arbeitsmodelle nicht länger isoliert zu betrachten, sondern diese mit HR-Praktiken zu kombinieren, die in der Lage sind, negative Effekte der einzelnen Arbeitsmodelle zu verringern.

Dr. Katharina Radermacher weist darauf hin, dass sich im Einzelfall in Unternehmen auch andere oder zusätzliche Zusammenhänge als die in der Stichprobe untersuchten ergeben können. Die hohe Effektstärke insbesondere bei der Arbeitsumgebung weist jedoch darauf hin, dass es sich hier um einen allgemein relevanten Einflussfaktor handelt. 

Informationen zur Studie

Komprimierte Ergebnisse der Studie wurden als IBA-Studie 2024 veröffentlicht. Eine Printversion kann kostenlos unter https://iba.online/service/publikationen/ bestellt werden.

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Titelbild dieses Beitrags: iStock by Getty Images, celiaosk