Kartenschatten

AKUTE EFFEKTE IMPULSHALTIGEN LÄRMS

Grundlagenstudie zur Wirkung von Lärm

Eine ganze Reihe von Studien beschäftigte sich in den vergangenen Jahren mit den Effekten von Lärm im Allgemeinen und den Auswirkungen auf die Büroarbeit im Besonderen. So haben Evans und Johnson in einer im Jahr 2000 veröffentlichten Studie nachgewiesen, dass Bürolärm nicht nur subjektiv als negativ empfunden wird, sondern auch messbare physische Effekte mit sich bringt. 2008 haben Schlittmeier et al. gezeigt, dass speziell Lärm in Form von Sprache zu einer erheblichen Reduktion der Arbeitsleistung führen kann.
–> Auszüge aus dieser und weiteren Studien finden Sie in der IBA Fachschrift Nr. 11 „Lärm“.

In einer im Journal of Environmental Psychology (Ausgabe 81, 2022) veröffentlichten Studie fügte ein finnisches Forscherteam bestehend aus Jenni Radun, Henna Maula, Ville Rajala, Mika Scheinin und Valtteri Hongisto nun weitere Erkenntnisse zur Wirkung von Lärm hinzu. Die unter der Überschrift „Acute stress effects of impulsive noise during mental work“ veröffentlichte Laborstudie erfasst die Auswirkungen von konstantem und impulshaltigem Lärm auf physiologische und psychologische Indikatoren für Stress sowie die kognitiven Leistungen von insgesamt 59 Probanden.

Motivation und Versuchsaufbau

Die Forschergruppe vermutete, dass sich sowohl der Lärmpegel als solcher als auch die Impulshaltigkeit von Lärm auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Probanden auswirken würden.

Dafür wurden die Versuchsteilnehmer in 3 Gruppen unterteilt und unterschiedlichen Lärmarten ausgesetzt. Folgende Szenarien kamen zum Einsatz:

  • Ruhiges Szenario mit einem äquivalenten, mit A‑bewerteten Lärmpegel (LAeq) von 35 dB
  • Konstant lautes Szenario mit einem LAeq von 65 dB
  • Impulshaltig lautes Szenario mit einem LAeq von ebenfalls 65 dB

Dabei wurde darauf geachtet, dass die Geräusche in allen 3 Szenarien frei von Informationen (insbesondere von Sprache) waren.

Als Indikatoren für die psychologischen Auswirkungen von Lärm wurden die Teilnehmer nach dem Grad der subjektiv erlebten Störung, der Arbeitsbelastung und Müdigkeit gefragt sowie nach einem eventuell nach Abschluss des Versuchs empfundenen Mangel an Energie und Motivation. Die körperlichen Reaktionen wurden durch Messung der Stresshormone Cortisol und Noradrenalin erfasst. Außerdem wurden der systolische und diastolische Blutdruck sowie die Herzratenvariabilität (HRV) gemessen.

Um den Einfluss der kognitiven Leistungsfähigkeit der Probanden standardisiert zu erfassen, mussten diese abwechselnd akustisch und visuell dargebrachte 9‑stellige Zahlenreihen erinnern sowie sogenannte N‑back-Tests absolvieren, bei denen die Teilnehmer innerhalb von Buchstaben‑, Zahlen- oder grafischen Reihen enthaltene Wiederholungen erkennen müssen.

Details der Studiendurchführung

Potenzielle Versuchsteilnehmer wurden zunächst einer Eingangsuntersuchung und einer Befragung zu ihrem Gesundheitszustand unterzogen. Diese betrafen ihr Hörvermögen und eventuelle Vorerkrankungen, die Einfluss auf die Ergebnisse der Studie haben könnten. Kandidaten mit Beeinträchtigungen wurden von der Teilnahme ausgeschlossen. Für alle anderen wurde in einer standardisierten Befragung die subjektiv empfundene Lärmempfindlichkeit erfasst. Anschließend wurden die 59 Personen (39 Frauen und 20 Männer im Alter von 20 bis 42 Jahren) in 3 Gruppen aufgeteilt, wobei Geschlecht, Alter und Lärmempfindlichkeit gleichmäßig auf die Probandengruppen verteilt wurden.

Anschließend wurden die Probanden für den auf ca. 200 Minuten ausgelegten Versuch in ein Forschungslabor eingeladen. Nach einem vorbereitenden Gespräch wurde ein Venenkatheter angelegt, über den später Blut zur Erfassung der Hormonkonzentrationen entnommen werden konnte. Die Messung des Blutdrucks erfolgte über handelsübliche Oberarm-Blutdruckmessgeräte. Die HRV wurde über Sensoren erfasst. In einer 25-minütigen Übungsphase wurden die Versuchsteilnehmer in die zu erfüllenden Aufgaben (Erinnern von Zahlenreihen und Erkennen wiederkehrender Muster in verschiedenen N‑back-Tests) eingewiesen. Anschließend folgte die Grundlagenphase. In dieser durchliefen alle Probanden den Versuch bei einem LAeq von 35 dB. Die erfassten Werte (Leistung, Hormonkonzentration, Blutdruck und HRV) dienten als Vergleichswerte für die in der nach einer kurzen Pause folgenden Testphase erhobenen Daten. In dieser Testphase durchliefen die Probanden noch einmal das gleiche Prozedere und die gleichen Aufgaben wie zuvor, nun aber unterteilt in 3 Gruppen, gleichmäßig verteilt auf die 3 Versuchsanordnungen „ruhiges Szenario“, „konstant lautes Szenario“ und „impulshaltig lautes Szenario“. Auch in der Testphase wurden wieder Leistung, Hormonkonzentration, Blutdruck und HRV gemessen. Die psychische Belastung durch den Lärm der Testphase wurde im Anschluss anhand von 2 Fragebögen erfasst.

Besonderen Wert legte das Forscherteam auf das Sounddesign. In allen 3 Szenarien wurde der Schall in einem Terzbereich von 100 bis 10.000 Hz in das Versuchslabor eingespielt. Für das ruhige Szenario und das konstant laute Szenario wurde rosa Rauschen verwendet. Für das impulshaltig laute Szenario wurde Baustellenlärm mit einem gleichmäßig arbeitenden Rammwerkzeug als Schallquelle verwendet. Alle Szenarien hatten bezogen auf die einzelnen Frequenzen die gleiche Charakteristik (einheitliches Tonspektrum).

Ergebnisse im Überblick

Psychische Belastung durch Lärm

  • Signifikante Auswirkungen des Lärms mit starker Ausprägung zeigten sich bei den von den Probanden erlebten Störungen. Diese nahmen bereits im konstant lauten Szenario deutlich zu und stiegen im impulshaltig lauten Szenario weiter deutlich.

  • Deutlich geringere und auch nur noch im Szenario mit impulshaltig lauten Hintergrundlärm signifikante Zuwächse ergaben sich bei der Arbeitsbelastung und dem im Nachhinein erlebten Mangel an Energie.

  • Keine Auswirkungen zeigten sich bei Müdigkeit und Motivation.

Physische Belastung durch Lärm

  • Signifikante Auswirkungen des Lärms zeigten sich bei der Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut der Probanden. Diese stieg bei erhöhter Lautstärke deutlich an. Dabei war aber offensichtlich die Lautstärke als solche der entscheidende Faktor, denn obwohl die gemessenen Werte bei impulshaltigem Lärm noch einmal höher lagen als im konstant lauten Szenario, war dieser Effekt statistisch nicht signifikant.

  • Völlig entgegen der Erwartung der Forscher verhielt sich die Veränderung des systolischen Blutdrucks. Dieser stieg in der mit 35 dB vergleichsweise leisen Umgebung deutlich an. In den beiden anderen Szenarien blieb er nahe am Ausgangsniveau.

  • Keine signifikanten Veränderungen zeigten sich beim diastolischen Blutdruck, der Herzfrequenzvariabilität (HVZ) und dem diastolischen Blutdruck.

Einfluss auf die Leistungsfähigkeit

  • Offensichtlich waren die Probanden auch ganz gut in der Lage, die Belastung in den beiden Lärmszenarien auszublenden. Auswirkungen ergaben sich lediglich bei der Qualität der Ergebnisse in einem 3‑back-Test (Erkennen von Wiederholungen in einem Dreierrhythmus). Hier schnitten die Probanden nach den beiden Lärmszenarien schlechter ab als nach dem Ruheszenario. Signifikant war der Vergleich „impulshaltig“ zu „ruhig“. Alle anderen Tests lieferten keine signifikanten Ergebnisse.

Kritische Betrachtung

Als Grundlagenforschung erbringt die Studie wertvolle Erkenntnisse zur Lärmwirkung. Um ein umfassendes Bild der Lärmwirkung im Büroumfeld zu erhalten, sind aber weitere Studien erforderlich. So wurde in der Studie nicht nur der im Bürobereich problematische informationshaltige Lärm (Sprache und andere Aktivitäten von Kollegen) ausgeblendet, die Regelmäßigkeit des impulshaltigen Schalls (in fester Taktung arbeitender Rammhammer) ermöglichte unter Umständen auch eine gewisse Gewöhnung der Probanden. Positiv zu vermerken ist, dass das Studiendesign mit seinen niedrigkomplexen Aufgaben und der ausführlichen Grundlagenphase gut geeignet war, um Lerneffekte der Probanden auszublenden. Andererseits könnte bei diesen während des 200-minütigen Versuchs eine gewisse Langeweile eingetreten sein, die ihrerseits zu einer Überlagerung einzelner Ergebnisse führen kann.

Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse

Die Studie liefert neue Hinweise auf gesundheitliche Folgen von Lärm auf die Gesundheit und insbesondere das Stressempfinden des Menschen. Obwohl insbesondere die Befragungen zum subjektiven Erleben die Erwartungen bezüglich stärkerer Effekte impulshaltigen Lärms im Vergleich zu einer ruhigeren, aber gleich lauten Lärmkulisse weitgehend bestätigt haben, betonen die Forscher, dass bereits die Erhöhung des Lautstärkepegels eine entscheidende Rolle spielte. Besonders deutlich wird dies bei der gemessenen Zunahme des Cortisol-Spiegels.

Für die Büroplanung bedeutet das, dass nicht nur impulshaltiger Schall von den Bereichen für konzentriertes Arbeiten abgeschirmt werden muss, sondern der Lärmpegel in diesen Räumen insgesamt reduziert werden sollte. Das spricht für die Einrichtung unterschiedlicher und klar getrennter Arbeitsbereiche für verschiedene Tätigkeiten (activity-based working). Die in der Büroplanung gelegentlich praktizierte Maskierung impulshaltigen Lärms durch neutralen Schall ist unter gesundheitlichen Aspekten als kritisch zu betrachten, da sie lediglich impulshaltigen Lärm durch lautere Schallereignisse überdeckt. Bezogen auf die kognitive Leistungsfähigkeit scheint dagegen die in der Studie von Radun et al. nicht erfasste Informationshaltigkeit von Lärm der ausschlaggebende Faktor zu sein.

Informationen zur Studie

Radun, J.; Maula, H.; Rajala, V.; Scheinin, R.; Hongisto, V. (2022), Acute stress effects of impulsive noise during mental work. Journal of Environmental Psychology 81 (2022) 101819, abrufbar unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0272494422000640

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Titelbild dieses Beitrags: iStock 1128896577