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Die neue Kollegin KI: Interview mit Marc Engenhart über die Arbeitswelt von morgen

Workspaces of Tomorrow

IBA Forum: Marc Engenhardt
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
7 Minuten

Der Lernraum Büro wird künftig nicht ohne die neue Kollegin KI denkbar sein. Die IBA Forum Redaktion sprach mit Kommunikationsdesigner Marc Engenhart über die Arbeitswelt von morgen.

In Ihrem Buch vermitteln Sie theoretische und praktische Grundlagen der Gestaltung mit maschinell lernenden Systemen. Wie wird KI die Arbeitswelt beeinflussen? Und inwiefern ist KI in der Lage, die Kompetenz und Wirkkraft von Beschäftigten zu erweitern?

 

Das Tool-Set und die Möglichkeiten der neuen Technologie lässt sich in allen Wirkfeldern der menschlichen Arbeit einsetzen, in der Daten als Arbeitsmaterial vorhanden sind. Man muss hier meiner Meinung nach unterscheiden zwischen der tagtäglichen Arbeit, die Menschen leisten, und Profis wie beispielsweise Designer:innen, die gegebenenfalls Produkte gestalten, die neu sein werden und in der Mensch-Maschine-Interaktion assistieren können. Im Bereich von Hilfswerkzeugen im Berufsalltag wird KI mühsame, zeitintensive sowie repetitive Aufgaben übernehmen. Denn: Eine gut gestaltete Automation kann uns das Arbeitsleben hier sehr erleichtern, da wir uns auf relevante Details mit all unserer Kompetenz konzentrieren können und trotzdem nichts übersehen. Ich nenne die Assistenz der Zukunft gern die neue Kollegin KI, die uns wachsam immer dann einen Hinweis oder eine Hilfestellung gibt, wenn nötig, und die für viele Aufgaben im Arbeitsalltag offen ist. Auch im Sinne von gestalteten intelligenten Systemen wie beispielsweise smarten Büromöbeln kann KI künftig zum Einsatz kommen. Die Gestaltung dieser intelligenten maschinellen Systeme ist eine Aufgabe für Designer:innen, die mit ihrer Expertise in der Lage sind, den Zugang zu digitalen Medien oder eben Mensch-Maschine-Oberflächen zu gestalten.

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Wie erweitern sich Aufgaben, Rollen und Verständnis in der Arbeitswelt für die Menschen?

 

Der Mensch ist eine faszinierende, kreative Spezies und Maschinen in vielem überlegen. Er hat für mich die Kompetenz, um die KI anzuleiten, Fehler zu adressieren, und sie grundlegend und schrittweise zu einer menschzentrierten Technologie zu verbessern. Als Kollegin kann KI ganze Teams durch die Übernahme repetitiver Tätigkeiten unterstützen, sodass mehr Freiraum für erweiterte, persönliche Arbeitsleistung entsteht. Die freie Zeit sollte aber nicht gleich wieder mit neuen Aktivitäten ersetzt werden, das wäre der falsche Ansatz. Die durch assistierte Technologie frei gewordene Zeit sollte als Zeit für die Teambildung, für Ideen, für Kritik, für Evaluation, für ein gemeinsames Kaffeetrinken oder auch eine Retrospektive genutzt werden. Allesamt menschenzentrierte Aktivitäten. Hierfür ist es notwendig, dass wir Freizeit auch als Arbeitszeit beziehungsweise als kreative Zeit begreifen lernen. Es braucht hier ein gänzlich neues Mindset in Unternehmen.

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„Wichtig für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine wird sein, dass der Mensch entscheidet, wann er Unterstützung in Form von Ko-Kreation wünscht. Die Mündigkeit und Bildung des Menschen in der Zusammenarbeit mit der KI ist und wird künftig ein Topthema sein.“ Marc Engenhart

Neue Technologien erfordern neue Skills. Wie und wo können Unternehmen sowie Beschäftigte das benötigte Wissen erwerben?

 

Ich empfehle hier ein mehrstufiges Vorgehen. Zum einen die Kontaktaufnahme mit Leuten, die als Expert:innen in der KI-Automatisierung und ‑Entwicklung arbeiten. Und wenn durch ein Team aus Expert:innen entschieden ist, ob und in welcher Form KI Einzug in ein Unternehmen hält, sollte die Belegschaft frühzeitig in den Prozess eingebunden werden. Design-Thinking-Workshops bieten sich an, aber auch andere Formate, die die Entscheidungsfindung und den Wissenstransfer unterstützen. Darüber hinaus sollte sich jede:r informieren und seine eigene Mündigkeit herstellen, weil die Technologie so kraftvoll und so multipel einsetzbar ist, dass sie Prozesse verändern wird und auch muss. Dies geschieht in einer Geschwindigkeit, die Transparenz in der Entwicklung von Systemen erfordert und erklärt werden muss. Drittens sollte es ein größeres Angebot an KI-bezogenen Weiterbildungen geben. Hier sind vor allem auch die Unternehmen in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter:innen entsprechend zu schulen. Es gibt aber auch deutschlandweit Hubs, die sich mit der KI-Vermittlung befassen und der Öffentlichkeit das Thema zugänglich machen.

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Welchen Einfluss wird KI generell auf das organisationale Lernen nehmen?

 

KI wird das Lernen demokratisieren und ein neues Zeitalter der Information einläuten, die von vielen Menschen erfasst und mitgestaltet werden kann. Mit ihr erhalten Mitarbeiter:innen eine digitale Assistentin, die ihnen personalisiert, in ihrer Sprache, ihrer Lerngeschwindigkeit und zu ihren Interessen Informationen bereitstellt, wie eine Art Mentor:in. Natürlich darf man neben den ganzen Potenzialen, die eine so vielfältige Technologie mit sich bringt, nicht vergessen, dass sie auch missbraucht werden kann, zum Beispiel um falsche Informationen automatisiert zu verbreiten. Alle mit Bildungsauftrag sind dafür verantwortlich, die Gefahren zu erkennen, anzusprechen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Das Thema Automatisierung muss schon in der Ausbildung Berücksichtigung finden, wird aber auch in der Weiterbildung immer wichtiger werden. Für die Aneignung grundlegenden Wissens brauchen wir jedoch gute Lehrer:innen und eine neue Gewichtung bei der Feststellung von Lernleistungen.

Wie wird Kreativarbeit in 10 Jahren aussehen? Und hat dann menschliche Intelligenz ausgedient?

 

Ich denke, dass wir künftig mehr Körpersprache, Körperbewegung und Gestensteuerung zur Interaktion mit den Systemen einsetzen werden. Und wir werden uns lösen von dem Sitzen-Schreiben-Phänomen. Eine digitale, agile Interaktion ist für mich notwendig, inwieweit diese augmentiert, also über eine digitale Projektion in unserer natürlichen Welt, sein wird, vermag ich heute nicht einzuschätzen. Und es werden neue verbesserte Technologien kommen, um virtuelle Meetings dreidimensionaler, echter, natürlicher und menschlicher zu machen. Denken sie auch an die Simultanübersetzung von wichtigen Inhalten. Menschliche Intelligenz bleibt natürlich und grundsätzlich notwendig im Umgang mit den Systemen und in der Sicherstellung einer sorgsamen Evaluation wie Entwicklung der Anwendungen, die das Potenzial von künstlicher Intelligenz enthalten.

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Wir werden uns von dem Sitzen-Schreiben-Phänomen lösen.“ Marc Engenhart

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Zu guter Letzt: Welche drei Tools können Sie unseren Lesern für den Büroalltag empfehlen?

 

Ich empfehle, für konzentriertes Arbeiten die Freedom App zu nutzen. Das Programm schaltet ausgewählte Webseiten, Apps oder auch Mitteilungen für einen begrenzten Zeitraum aus, damit man ohne Ablenkung konzentrierter an einer gewählten Aufgabe arbeiten kann. Alle Push-Notifications, Nachrichten etc. werden ausgeblendet, im Hintergrund abgelegt und erst später wieder aktiviert. Die zweite Empfehlung ist, dass sich jede:r darüber klar werden muss, dass KI egal in welchem Medium keine Technologie ist, die immer nur die Wahrheit und validierte Informationen erzeugt. Viele Expert:innen arbeiten daran, Systeme zu entwickeln, die nur Richtiges formulieren und dies ist im Besonderen in der Welt der Bildung natürlich anzustreben. Jeder sollte beispielsweise ChatGPT einmal selbst ausprobiert haben. Designer:innen nennen das Intelligence Experience. Sie ist für mich ein Türöffner, um kritisch hinzuschauen und die Validität von Informationen zu hinterfragen. Die dritte Empfehlung ist ein Tool, das ein wenig Spaß in den Büroalltag bringt. Mit der App Sketch MetaDemoLab lassen sich einfache Handzeichnungen innerhalb von drei Sekunden in Animationen übersetzen. Für mich ein schönes Tool, um Teambesprechungen aufzulockern.

Marc, vielen Dank für das Gespräch.

Marc Engenhart arbeitet als Kommunikationsdesigner und ist Koautor des Buchs „Design und KI“, das einen Einblick in die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Potenziale intelligenter Systeme gibt. Dazu lehrt er an verschiedenen Hochschulen und berät Agenturen, Unternehmen sowie Institutionen in Designlösungen, Markengestaltung, intelligenten Systemen, Speculative Design und Zukunftsstrategie. Mehr Informationen unter https://www.engenhart.com/.

Titelbild: Marc Engenhart